Die Schlacht im Teutoburger Wald

im Jahr 9 unserer Zeitrechnung

Bild zu: Sächsisches Realienbuch, Seite 7
Hermann der Cherusker (17 v. u. Z. - 21 u. Z.) diente als Führer ...

Der Römer Publius Quinctilius Varus (47 v. u. Z. - 9 u. Z.) war seit ...
´Die Hermannsschlacht´ aus ´Kunstgeschichte´, Seite 28
Die Hermannsschlacht.
Von Ludwig Michael Schwanthaler (geb. 1802 in München, + 1848), einem der fruchtbarsten Bildhauer.
Befindet sich am nördlichen Giebelfelde der „Walhalla“ bei Regenburg.
Schwanthaler erläutert das Bild folgendermaßen: „In der Mitte steht Hermann, an einen Eichenstamm gelehnt, mit
Schild und Schwert, Arm- und Beinringen und dem niedern germanischen Helm, wie man noch die Toten in den germanischen Grä-
bern findet, zu seinen Füßen Adler, Beile, Manipel. Er ist so ruhig als möglich dargestellt,
Römerseite: Der erste ist ein Triarier (diese kamen erst ins Treffen, wenn die Leichtbewaffneten schon geschlagen waren oder hatten),
zeigt also an, daß sich die Schlacht ihrem Ende nähere; ein Leichtbewaffneter oder Reiter scheint im Zurückweichen den sich eben entlei-
benden Varus noch zu schützen zu wollen.“
aus: "Die Hermannsschlacht" aus "Kunstgeschichte in einem kurzen Abriß" (1881), Seite 28
Sächsisches Realienbuch, Seite 6
Sächsisches Realienbuch, Seite 7
Sächsisches Realienbuch, Seite 8

      Im Jahr 6 n. Chr. schickte der Kaiser Augustus seinen Feldherrn
Varus als Statthalter nach Deutschland. Dieser errichtete an der Weser ein festes
Lager und behandelte ganz Norddeutschland wie eine römische Provinz. Er hob
die alten Schiedsgerichte auf und setzte römische Richter ein, die in ihrer Sprache
und nach ihrem Gesetz das deutsche Volk richteten. Auch legte er den freien Männern,
die bis dahin von allen Abgaben frei waren, Steuern auf. Wenn er durch das Land
zog, ließ er nach römischer Weise Beile und Rutenbündel vor sich hertragen, zum
Zeichen, dass er Macht über Leben und Tod habe. Ja es kam vor, dass freie Deutsche
mit Ruten gepeitscht oder wohl gar mit dem Henkerbeil hingerichtet wurden,
während die Todesstrafe bei ihnen sonst nur auf Landesverrat und auf Feigheit
im Kriege festgesetzt war. Das alles erfüllte die Deutschen mit Ingrimm.
      Bald kam dem bedrängten Land der Retter; das war Hermann.
der Sohn eines Cheruskerfürsten. Die Cherusker, d. h. Schwertmänner, wohnten
zwischen Weser und Aller. Hermann hatte die Römer häufig auf ihren Kriegszügen
begleitet, und es war ihm nicht nur das römische Bürgerrecht, sondern auch der Rang
eines römischen Ritters verliehen worden. Mit tiefem Schmerz sah er, wie sein
Volk unter der Knechtschaft seufzte und sich nach Freiheit sehnte. Da rief er heim-
lich mehrere Stammesfürsten zusammen und verabredete mit ihnen die Befreiung
des Vaterlandes. VARUS aber glaubte, Hermann sei im Herzen Römer, und
lud ihn oft zu Tische. Zwar warnte ihn Segest, ein römerfreundlicher Deutscher,
und sagte: "Trau Hermann nicht, er ist ein Verräter!" Aber VARUS achtete nicht
darauf; denn er hielt die Warnung des "plumpen Deutschen" für rachsüchtige Ver-
leumdung. (Hermann hatte dem Segest die Tochter Thusnelda geraubt.)
      Schlacht im Teutoburger Wald. 9. n. Chr. Bald darauf erhielt Varus
die Kunde von dem Aufstande eines deutschen Stammes an der Ems. Das war
so geplant worden, um Varus und sein Heer recht tief in die Wälder hineinzulocken.
Arglos brach er aus seinem Lager auf und zog ohne strenge Ordnung und mit vielem

Bild: Heimkehr der Deutschen aus der Schlacht im Teutoburger Walde.
Gemälde von P. Thumann. Photographie-Verlag von Franz Hanfstaengl in München.

Gepäck durch den dichten Wald an der Weser dahin. Hier aber fielen die Germanen
aus dem Dickicht des Waldes die Römer an, anfangs einzeln, dann in dichten Haufen.
Kämpfend erreichten die Römer einen freien Platz, wo sie ihr Nachtlager aufschlugen.
Am folgenden Tag zogen sie weiter und kamen (wahrscheinlich bei Detmold) in
den Teutoburger Wald. Der Wald war dicht und voll riesiger Baumstämme.
Ein furchtbarer Sturm brauste durch das Dickicht. Der Regen floß in Strömen herab.
Der schlüpfrig gewordene Boden und die umgestürzten Baumstämme gestatteten
den Römern nur unsichere Schritte. Desto mutiger waren die Deutschen. Aus jedem
Busch drangen sie hervor. Von jedem Baum schossen sie Pfeile ohne Zahl auf die
erschrockenen Römer herab. Erst die Nacht machte dem wütenden Kampfe ein Ende.
Aber nicht lange konnten die ermatteten Römer ruhen. Das Kriegsgeheul der Deutschen
schreckte sie schon vor Tagesanbruch auf und trieb sie weiter. Endlich erreichten sie
ein offenes Feld. Da stehen in dichten Reihen die Deutschen zum Kampf ge-
ordnet. Mit Ungestüm dringen sie in die Reihen der Römer ein, und vor ihnen sinken
die Feinde wie Halme zur Erde. Als Varus sah, dass alles verloren war, stürzte er
sich verzweiflungsvoll in sein eigenes Schwert.
      Nach der Schlacht. Schrecklich war die Niederlage der Römer. Die meisten
lagen erschlagen am Boden. Die Lebenden gerieten größtenteils in die Gefangen-
schaft.
      Hier harrte ihrer ein schreckliches Los. Die Anführer wurden den Göttern geopfert.
Den römischen Richtern riss man die Zunge aus und rief dazu: "Nun zische, Natter, wenn
du kannst!" Andere Gefangene wurden zu den niedrigsten Sklavendiensten gezwungen, und
"mancher Römer aus ritterlichem Hause alterte bei einem deutschen Bauer als Hausknecht
oder Herdenhüter".

aus: "Sächsisches Realienbuch", 1920, Seiten 6 bis 8
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 286
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 287
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 288
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 289
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 290
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 291
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 292

      Die Schlacht im Teutoburger Walde.

      1. Der erste Tag.
Die Herbstnächte wurden kühl. Varus hatte die Offiziere und
Soldaten des Lagers um sich versammelt. "Soldaten", rief
er, "morgen kehren wir zurück an den Rhein!" Da sprengte ein
Reiter ins Lager, drängte sich durch die Soldatenhaufen und redete
leise mit Varus. Die Offiziere steckten die Köpfe zusammen; Varus
runzelte die Stirn. "Es ist nichts Besonderes!", sagte er zu den auf-
horchenden Soldaten. "Ein Gau an der Ems hat sich empört. Wir
werden das auf dem Heimweg abmachen."
      Während die Soldaten sich in den Zeltgassen zerstreuten, setzte sich
Varus mit den Offizieren zum Abendessen; auch Armin und die übrigen
deutschen Häuptlinge saßen bei ihm zu Tische. "Wir ziehen diesmal nicht
auf der Straße heim", sagte der Statthalter zu Armin, "wir werden einen
kleinen Umweg machen durch den Teutoburger Wald. Wie früh kannst
du mit deinen Leuten nachkommen?" Armin redete mit den Häupt-
lingen. "Im Teutoburger Wald holen wir dich ein", antwortete er
dann. Da neigte Segestes sich zum Statthalter hinüber: "Nimm
dich in Acht vor dem da!", sagte er und wies mit dem Finger auf
Armin. "Schon lange bin ich ein Freund der Römer; darum will ich
dich warnen." – Varus blickte verwundert den Armin an. Dieser
trank gemächlich einen Schluck Wein, sah dem Statthalter gerade ins
Gesicht und sagte mit ruhiger Stimme: "Soll ich antworten auf das,
was mein Schwiegervater gegen mich vorbringt?" Varus lachte.
"Tut nicht Not", sagte er. "Jedermann weiß, wie lieb er dich hat, seit-
dem du seine Tochter Thusnelda zur Frau nahmst, ohne ihn zuvor
um Erlaubnis zu bitten." Da sprang Segestes auf. "Wer will mich
einen Lügner nennen?", rief er. "Noch heute beweise ich meine Worte
vor Gericht! Und wenn nicht heute, dann morgen. Es ist höchste
Zeit!" Varus schüttelte den Kopf. "Morgen? – Nein, morgen habe
ich keine Zeit. Vielleicht später." – Jetzt warf Segestes sein Schwert
auf den Tisch. "Hier ist meine Waffe!", sagte er. "Ich will dein Ge-
fangener sein. Aber nimm auch diesen Armin und die Häuptlinge ge-
fangen, wenn du sicher an den Rhein kommen willst! Ohne die
Fürsten kann das Volk nichts tun." Jetzt wurde Varus unwillig.
"Armin war römischer Offizier", rief er. "Ich dulde nicht länger,
daß du Leute verleumdest, die meine besten Freunde sind." Da
stellte sich Segestes in seiner ganzen Größe vor den Statthalter.
"Varus", sagte er, "du wirst an diese Nacht und an diese Stunde
denken, wenn es zu spät ist!" Er nahm seine Waffen und ver-
ließ das Zelt.
      Am anderen Morgen standen die Trompeter vor dem Zelte des
Varus und gaben das erste Zeichen: Die Soldaten brachen die Zelte
ab. Die Trompeter bliesen zum zweiten Male: die Soldaten legten
das Gepäck auf die Wagen und beluden die Lastpferde. Die Trompeter
bliesen zum dritten Male und schritten dem Ausgang zu; die drei
Legionen marschierten im Schritte hinter ihren Adlern und Fahnen
aus dem Lager. Nach mehreren Stunden erreichten sie den Teuto-
burger Wald. Der lange Zug schlängelte sich in einem Hohlweg auf-
wärts. Riesige Eichen und Buchen warfen ihre Schatten über den
Weg, und das gelbe Laub fiel nieder in die grüne Schlucht. Oben
schwebten die glänzenden Adler voran im Tannengrün. "Halt!", kom-
mandierten die Unteroffiziere. Ein dicker Baumstamm hing quer
über den Weg; er musste gefällt und zur Seite geräumt werden.
Nachdem sie die Höhe erstiegen hatten, gingen sie auf der anderen Seite
in einem langen Hohlweg abwärts. Wieder hielt der Zug; ein Reiter
kam heraufgesprengt. "Es ist ein Sumpf da unten", sagte er. "Als
die Ersten über die grüne Moosdecke schritten, da schwankte der Boden
unter ihren Füßen, und sie versanken bis an die Hüften im braunen
Schmutz. Wir müssen warten." Ein dicker Viehhändler kletterte
am Rande der Schlucht empor und schaute hinab. "Da unten steckt
ein Wagen bis an die Achsen im Schlamm", sagte er und sah zu,
wie die Soldaten aus Baumstämmen einen Weg durch den Sumpf
machten und eine Brücke über den Bach bauten, der breit hindurch-
floss. Ein paar Stunden vergingen. Einige Soldatenfrauen suchten
unterdessen mit ihren Kindern Beeren und Schwämme im Wald,
aber voll Schrecken kamen sie zurück. "Bewaffnete Männer schlichen
im Wald umher", erzählten sie. Die Soldaten lachten. "Das sind
Jäger." Endlich ging der Marsch weiter. Der Zug war ungeheuer
lang; Soldaten, Wagen und Karren mit Gepäck, Weiber und Kinder,
Krämer und Wirte; alles war durcheinander. "Welche Unordnung!",
brummte ein alter Unteroffizier. "Und so viele junge, unerfahrene
Soldaten! Es ist ein Glück, dass wir Frieden haben!"
      Varus sah nach dem Wetter. Der Himmel war grau und die
Luft feucht. "Da sind wir jetzt auf dem Holzweg", sagte er zu einem
Offizier. "Wo wohl Armin mit den Seinen so lange bleibt?" Jetzt
kam vom Nachtrab her ein Reiter. "Von Armin keine Spur!", meldete
er, "Aber da hinten treiben sich in den Büschen allerlei verdächtige
Leute herum. Sobald man ein paar zu sehen bekommt, verschwinden
sie." Der Wald wurde immer dichter; jeden Augenblick mussten
Bäume gefällt werden. Ein heftiger Sturm brauste in den Wipfeln;
dürre Äste stürzten krachend herab und versperrten den Weg. Jetzt
begann es auch noch in Strömen zu regnen. Der lehmige Boden
klebte an den Schuhen; die Soldaten glitten aus oder stolperten über
Baumwurzeln. Manche gingen einzeln oder paarweise; oft riss der
Zug ab, und ganze Haufen blieben weit zurück. "Wenn jetzt ein Feind
käme!", brummte der alte Unteroffizier.
      Da sauste aus dem Gebüsch ein Stein an Varus vorbei. Der
Wurf traf einen Soldaten an den Kopf, dass ihm das Blut vom
Gesicht schoss. Der alte Unteroffizier durchsuchte mit den Soldaten das
Dickicht, aber sie fanden niemand; nur in der Ferne bewegten sich
die Zweige. Jetzt flog von der anderen Seite ein Spieß aus den
Büschen. Er durchbohrte das Lederdach eines Wagens und fuhr dem
kutschierenden Soldaten in den Rücken, dass er tot vom Wagen sank.
In allen Büschen wurde es lebendig. Es regnete Steine und Spieße.
Immer durch das dichteste Gestrüpp schlichen die Deutschen heran;
denn sie kannten alle Fußwege. Die Soldaten wollten den unsicht-
baren Feind vertreiben, aber Varus befahl: "Setzt die Helme auf!
Weiter marschieren!" Nun wurden die Angreifer kecker. Da und dort
kamen sie heraus, in kleineren und größeren Scharen. Sie ver-
wundeten die Soldaten, stachen die Pferde tot und plünderten die
Wagen. Der Weg hinter dem Zuge lag voller Toter und Verwundeter.
Als es Abend wurde, erreichten die Römer einen Hügel mitten im
Wald. Dort legten sie das Gepäck ab und bauten ein Lager. In
der Nacht schaute Varus mit einem Offizier vom Wall hinaus in
die Finsternis. "Siehst du das Feuer dort auf dem Berg?, sprach
er. "Und dort – und dort – und dort wieder? O, dieser Armin!
Wir werden morgen an die Straße marschieren, damit wir aus den
verdammten Wäldern und Sümpfen hinauskommen."

      2. Der zweite Tag.
      Die meisten Wagen und was sonst nicht nötig war, verbrannten
sie oder ließen es im Stich und zogen am anderen Morgen in
besserer Ordnung weiter. Gegen Mittag kamen sie an eine lichtere
Stelle, aber bald regte es sich in den Büschen. Die Baumstämme
klapperten von Steinwürfen. Bald da, bald dort sank ein Soldat blut-
überströmt um. Nach kurzer Rast brachen sie auf und gerieten wieder
in Wälder. Da nahmen sie das Gepäck in die Mitte; vorn und
hinten marschierten die Legionen; rechts und links stellten sich die
Reiter auf. So drängten sie sich auf einem engen Platz zusammen.
Die Trompeter bliesen. "Soldaten, greift an!", kommandierten die
Offiziere. Sie gingen in das Dickicht vor, aber einer war dem anderen
im Weg. "So oft man zu einem tüchtigen Wurf ausholen will,
stößt man mit dem Arm an einen Baumstamm", sagte der alte
Unteroffizier.
      Gegen Abend schlugen sie mitten in Wäldern und Sümpfen
wieder ein Lager auf. Es war kleiner als das erste, denn die
20.000 Mann waren durch die beständigen Kämpfe zusammengeschmolzen.
Die Soldaten klagten über die unheimliche Finsternis. Die Spaten,
mit denen der Rasen abgestochen und die Erde ausgegraben wird,
waren größtenteils verloren gegangen. Es fehlte an Zelten für die
Soldaten und an Verband für die Verwundeten. Sie verteilten den
Speisevorrat, der mit Blut und Schmutz verunreinigt war. Die ganze
Nacht strömte der Regen herab; kaum standen die Adler fest im
weichen Boden bei dem heftigen Wind. Etliche Soldaten hockten
um ein Feuer und putzten die Waffen. "Damit soll man sich nun
wehren!", sagte einer. "Alles ist vom Regen schwer wie Blei, die
Schilde und Bogensehnen vom Wasser vollgesaugt und Pfeile und
Speere verrostet." Ein Soldat kam von draußen mit einem Bündel
Brennholz unter dem Arm. Er setzte sich zu den anderen an Wacht-
feuer, das vom Regen trübe brannte. "Eine falsche Bande!", sagte
er. "Nun sitzen wir schön in der Falle! Von allen Seiten sind wir
umringt, und morgen wird uns Armin den Rest geben. Hört ihr,
wie sie brüllen?" Sie horchten. Von den Höhen erschallte der Freuden-
gesang der Deutschen und das Getöse ihrer Waffen, und die Feuer
schimmerten zwischen den Baumstämmen.

      3. Der dritte Tag.
      Als der Tag anbrach, verließen sie das kleine Lager mit dem
halb eingestürzten Wall und dem flachen Graben und machten sich
auf den Weg. Der Wind wehte heftig; die Wege waren grundlos
vom Regen. Bei jedem Schritt glitten die Soldaten aus oder ge-
rieten in den Sumpf. Sie kamen nicht weit; noch war nicht die
Hälfte aus dem Lager marschiert, da zogen von allen Seiten die
Deutschen in geordneten Scharen heran mit ihren Häuptlingen an
der Spitze. Viele, die anfangs daheimgeblieben, waren in der letzten
Nacht gekommen, um Beute zu machen. Von einer Anhöhe herab
redete Armin zu ihnen. Jetzt machten sie mit ihren Stierhörnern
einen wilden Lärm, stimmten den Schlachtgesang an und rückten
gegen die Römer vor.
      Während der Schlacht trugen zwei Soldaten den Varus ver-
wundet ins Lager zurück; blutend lag er in seinem Zelt. Da kam
ein Bote ins Lager zu Varus. "Unsere Reiter sind geflohen, die
Verräter", sagte er. "Am Wald holten die Deutschen sie ein und hieben
sie nieder." Eine Stunde verging. Von unten herauf drang das Ge-
schrei der Kämpfenden und die Hornsignale. Wieder kam ein Bote
zu VARUS. "Zwei Adler sind verloren", rief er, indem er sich das
Blut vom Gesicht wischte. "Den dritten riss der Fähnrich von der
Stange und versteckte ihn in seinem Gürtel; so verbarg er sich im
blutigen Sumpf." – Das Toben der Schlacht kam immer näher.
Jetzt eilte der dritte Bote in das Zelt des Varus. "Alles ist verloren!",
rief er. "Die Unseren sind umringt! Die Deutschen kommen!" Aber
Varus regte sich nicht mehr. Er war tot. Er hatte sich mit dem Schwert
die Brust durchbohrt. Die Soldaten im Lager errichteten einen
Scheiterhaufen, um den Toten zu verbrennen. Da rief ein Soldat
vom Wall her: "Die Feinde sind da!" Schnell rissen sie den Toten
wieder aus dem Feuer und begruben den halbverbrannten Leichnam.
      Als sich draußen die Kunde vom Tode des Varus verbreitete, da
wehrte sich keiner mehr. Viele warfen die Waffen weg und ließen
sich vom Nächstbesten umbringen. Fliehen konnte keiner. So wurde
alles niedergemacht, Männer und Rosse. Jetzt kamen die Deutschen
im Sturmlauf auf das Lager zu. Am Eingang entstand ein kurzer
Kampf. "Was nützt es? Ergeben wir uns!", sagte der Unteroffizier,
überreichte Armin sein Schwert und lieferte die Fahnen an ihn
aus. Ein Teil der älteren Soldaten murrte, als der Offizier den
Deutschen das Lager übergab. "Kameraden", rief einer, "wir wollen
lieber vor dem Feinde sterben als unter dem Henkerbeil! Wir schlagen
uns durch! Nicht einmal fechten will man uns lassen!" Aber schon
kletterten die Deutschen über den Wall; sie umringten die Gefangenen
und nahmen ihnen die Waffen ab. Dann plünderten sie die Wagen
und suchten nach Varus. Seinen halbverbrannten Leichnam gruben
sie wieder aus; einer hieb ihm das Haupt ab, steckte es auf seinen
Spieß und trug es durchs Lager. Besonders hatten sie es auf die
Advokaten abgesehen. Einigen stachen sie die Augen aus, anderen
schnitten sie die Hände ab; einem nähten sie den Mund zu, nach-
dem sie ihm die Zunge herausgerissen hatten. Diese nahmen sie in
die Hand und sprachen: "Nun höre endlich auf zu zischen, du Schlange!"
Während sie so gegen die Gefangenen wüteten, fasste ein vornehmer
Römer alle seine Ketten zusammen, mit denen er gefesselt war, und
schlug sie gegen seinen Kopf, dass er sofort verschied.
      Unter einem Baume lag ein römischer Soldat, bewusstlos von
einem Schlage mit der Keule; seinen Helm und seine Waffen hatte
man ihm abgenommen, weil man ihn für tot hielt. Am anderen
Morgen erwachte er von der Betäubung und schaute um sich. Auf
einem Altare loderten noch ein paar Kohlen. Jetzt beschienen die
ersten Sonnenstrahlen einen Baumstamm, an dem ein Kopf ange-
nagelt war. Der Soldat kannte ihn; es war der Kopf seines Unter-
offiziers. Mit Grauen sah er, dass von allen Stämmen ringsum
solche Köpfe herabschauten. Dort an einem Ast hing der tote Körper
eines Viehhändlers, der oft Leute betrogen hatte. Der Soldat wollte
aufstehen; da hörte er in der Nähe Schritte. Ein Trupp Deutscher
kam vorbei; viele trugen römische Helme, Uniformen und Waffen.
Vor sich her trieben sie einen Haufen halbnackter, römischer Gefangener
mit gebundenen Händen. "Wollt ihr schneller marschieren!", riefen sie.
"Ihr seid nun lange genug unsere Herren gewesen. Jetzt seid ihr
unsere Knechte! Wenn wir heimkommen, dann dürft ihr seinen Herren
hinter dem Pflug hergehen oder die Schweine hüten." Mit klopfen-
dem Herzen wartete der Soldat, bis sie in weiter Ferne waren; dann
floh er durch die Wälder. Unterwegs traf er Kameraden, die auch
entkommen waren; mit diesen gelangte er, indem sie nur die Nacht
und immer durch Wälder sich fortschlichen, glücklich an den Rhein.
      Vom Rheine jagte ein Reiter nach Rom. Als er durch die Straßen
ritt, da schmückten die Römer ihre Häuser mit Kränzen, um
einen Sieg zu feiern. "Nehmt die Kränze herab!", rief er, "Es ist
mehr zum Weinen als zum Lachen." Als der Kaiser Augustus die
Botschaft vernahm, zerriß er seine Kleider, stieß mit dem Kopf gegen
die Tür und rief: "Varus, gib mir meine Legionen wieder!" Etliche
Monate ließ er Haare und Bart lang wachsen. Erst als er hörte,
daß sich einige Soldaten gerettet hatten und die Deutschen nicht
einmal an den Rhein gekommen seien, wurde er wieder ruhiger.
Einige Gefangenen wurden später von ihren Verwandten losgekauft.

      Adolf Clemens Scheiblhuber.
aus: "Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr", Seiten 286 bis 292



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