Martin Luther predigt in Dresden

Dresden, am 25. Juli 1517

aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 39 oben
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 39 unten
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 40

      Im Juli 1517, nach anderen Nachrichten
1518, weilte Luther abermals in Dresden und zwar diesmal auf Veranlassung
des Landesherrn Georg des Bärtigen. Dieser hatte sich an den Generalvikar der
Augustiner, Johann von Staupitz, mit der Bitte gewendet, ihm einen "frommen
und gelehrten Prediger" zu schicken. Luther, aufs wärmste empfohlen, kam nach
Dresden und predigte hier am Jakobustage, den 25. Juli, in der Schloßkapelle
vor dem Herzoge und seinem Hofstaate über Math. 20, 20 - 23. In seiner
Ausführung über das Christuswort: "Ihr wisset nicht, was ihr bittet!" ging er
besonders darauf ein, daß als bestes Gut die Seligkeit zu wünschen und zu er-
flehen sei. Daß diese Bitte bei Gott Erhörung finde, dürfe der aufs gewisseste er-
warten, welcher das Verdienst Christi ergreife. Manchen der Zuhörer hatte diese
Predigt mit herzlicher Freude erfüllt; aber Georg war über sie so erzürnt, daß
er erklärte, er wolle viel Goldes darum geben, wenn er sie nicht gehört hätte, da
sie nur geeignet sei, die Leute sicher und ruchlos zu machen. Begreiflicherweise
erhielt Luther die Stelle des Dresdner Hofprediger nicht; vielmehr trug Herzog
Georg von jener Zeit an einen durch mancherlei Umstände sich steigernden Haß
gegen den bald offen auftretenden Reformator im Herzen.
      Derselbe kam zwar nicht wieder nach Dresden, aber trotzdem verbreitete sich,
jedenfalls durch seine Schriften, die von ihm veranlaßte geistige Bewegung auch
hier und fand sicherlich Anhänger. Dies erhellt aus mancherlei Thatsachen, von
denen nur eine angeführt sein mag. Die Bulle, durch welche 1521 über Luther
der Bann ausgesprochen wurde, gelangte kurz darauf durch öffentlichen Anschlag
auch zur Kenntnis der Dresdner Bevölkerung. Diese nahm die Sache keineswegs
ruhig hin; denn man zertrümmerte Georgs Sekretär Emser und dem Pleban der
Kreuzkirche Dr. Eisenberg, die als Hauptgegner Luthers galten, durch Steinwürfe
die Fenster.
      Mit stillem Entsetzen mußte Herzog Georg erkennen, wie in seinem Meißner
Lande Luthers Lehre thatsächlich Eingang fand, und es schien ihm ein verdienst-
liches Werk, sie mit den schärfsten Mitteln zu bekämpfen. Geistliche, die evangelische
Grundsätze predigten, wie Sebastian Fröschel in Leipzig und Alexius Chrosner,
Georgs Hofprediger, wurden zur Niederlegung ihres Amtes genötigt. Die herzog-
lichen Unterthanen sollten weder ihre Söhne noch ihre Anverwandten in Witten-
berg studieren lassen. Im Meißner Lande durften trotz starker Nachfrage Wittenberger
Schriften weder gedruckt, noch verkauft werden. Personen, die sich nach lutherischer
Weise das Abendmahl in beiderlei Gestalt hatten reichen lassen, wie diejenigen,
welche sich um des Gewissens willen nicht entschließen konnten, unter einerlei
Gestalt das Sakrament zu genießen, mußten, auch wenn sie sich sonst des besten
Rufes erfreuten, für immer das Land verlassen. Solche Gewaltmittel brauchte
Herzog Georg in seiner Residenzstadt allerdings nicht anzuwenden, vielleicht
deshalb nicht, weil man hier wegen der unmittelbaren Nähe des Hofes in ge-
wissen Kreisen seine Meinung nicht so freimütig äußerte als anderswärts.
      Dennoch gärte es auf religiösem Gebiete auch unter der Dresdner Be-
völkerung. Wenigstens spricht der Umstand dafür, daß die Einnahmen des Neuen-
dresdner Rates aus den Strafgeldern von Gotteslästerern gerade in der Zeit
von 1531 - 1539 nicht unwesentlich höher waren als im vorhergehenden Jahr-
zehnt. Diese Thatsache erklärt sich keineswegs aus einer gesteigerten Verrohung
der Gemüter, sondern wohl daraus, daß diese "Gotteslästerungen" Kundgebungen
der Mißstimmung über die kirchlichen Verhältnisse Dresdens waren.

aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seiten 39 und 40



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