Herzog Heinrich der Fromme führt die Reformation in Sachsen ein

Dresden, Pfingsten 1539

aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 40 oben
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 40 unten
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 41 oben
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 41 unten

      Luther konnte schon damals auf viele Freunde sowohl in Dresden als auch im
ganzen Meißner Lande zählen. Zu ihnen gehörte Georgs Bruder, Heinrich. Der-
selbe hatte seiner Zuneigung zur evangelischen Lehre dadurch offenen Ausdruck ver-
liehen, daß er am 29. September 1536 dem Schmalkaldischen Bunde beitrat und
zu Pfingsten des nächsten Jahres in seiner Residenz Freiberg die Reformation
einführte, in der That keine leichte Aufgabe, da sein Bruder Georg seinen Plänen
vielfach entgegentrat. Letzterer, durch den Tod aller seiner Söhne kinderlos ge-
worden, wußte, daß sein Herzogtum einst in Heinrichs Besitz gelangen müsse, und
daß damit die Einführung der lutherischen Reformation in den Meißner Landen
in sicherer Aussicht stünde. Dies mit allen Mitteln zu verhindern, hielt er für
eine heilige Pflicht; denn er konnte doch unmöglich die mühevolle Arbeit seines
Lebens mit einem Schlage vernichten lassen. Aus diesem Grunde beabsichtigte
Georg, sein Herzogtum seinem königlichen Freunde, dem späteren Kaiser Ferdinand I.,
zu vererben, falls Heinrich sich nicht vom Schmalkaldischen Bunde trennen und
die feste Zusicherung geben wolle, "in Sachen der Religion sich jeder Neuerung
zu enthalten". Nach einiger Bedenkzeit lehnte Heinrich das Ansinnen ab; aber
noch ehe der Bote, welcher dies dem fürstlichen Bruder kundthun sollte, in Dresden
anlangte, war dieser am Morgen des 17. April 1539 in einem Alter von
67 Jahren unerwartet schnell gestorben.
      Noch am Abend des Todestages traf Heinrich aus Freiberg in Dresden
ein. Mit welchen Gefühlen nahm die noch katholische Bevölkerung der Stadt den
bereits evangelischen Landesherrn auf? Es zeigte sich bei ihr "Trauern und
Freude durcheinander gemengt. Was der alten Religion ergeben war, als
Mönche, Pfaffen und ihr Anhang, war betrübt; der gemeine Mann lobte Gott,
und viele Gewaltige, welche sich zuvor vermessen und geschworen, sie wollten lieber
aus dem Lande ziehen als lutherisch werden, haben sich bei Ankunft des neuen
Landesfürsten vernehmen lassen, wie sie dergleichen Veränderung längst begehrt
und darauf gewartet hätten."
      Heinrich, welchem man den Beinamen "der Fromme" gegeben hat, war
ein gutmütiger und überaus leutseliger Herr. Er liebte den heiteren Lebensgenuß,
dem er auch gern größere Opfer brachte. Häufig weilte er in seiner Rüstkammer,
weil ihm Schußwaffen, insbesondere Kanonen, große Freude bereiteten. An Be-
gabung und Energie stand er seinem Bruder entschieden nach, aber er besaß ein
nicht geringes Maß von Zähigkeit, welche ihn antrieb, jede seinem Denken und
Fühlen entsprechende Angelegenheit auch unter Schwierigkeiten auszuführen. Dieser
Charakterzug machte sich auch sofort bemerkbar, als ihm die Regierung des Meißner
Landes zugefallen war. Nach der Beisetzung Georgs im Dome zu Meißen ließ
sich Herzog Heinrich am 21. April vom Rate und von den Bürgern Dresdens
huldigen, was "wider vieler Leute Vermuten ohne Widersprechen geschah". Bei
dem auf Anordnung des neuen Landesherrn wei Tage später "wegen erlangter
Succession dieser herrlichen Lande" gefeierten Dankfeste hielt Heinrichs Hofprediger
Paul Lindemann in der Hofkapelle zu Dresden die erste evangelische Predigt.
      Der neue Herzog ging aber sofort weiter und traf Anordnungen, die den
nächstliegenden Erfordernissen Rechnung trugen. Der auf den 24. Juni fallende
Johannisablablaß mit seinem schönen Spiel wurde unterm 28. April eingezogen
und in einen noch jetzt abgehaltenen Jahrmarkt verwandelt. Ebenso mußte auch
die stets mit großer Pracht und öffentlichem Umzuge stattfindende Fronleichnams-
feier auf landesherrlichen Befehl unterbleiben. Nachdem am Trinitatisfeste, am
1. Juni, der schon erwähnte Hofprediger Lindenau auch in der Kreuzkirche die
erste evangelische Predigt gehalten hatte, durften von nun an in derselben keine
Messen und Bigilien mehr stattfinden.
      Diese Umgestaltungen auf kirchlichem Gebiete widerstrebten den Über-
zeugungen des an dem letzterwähnten Gotteshause angestellten katholischen Pfarrers
Dr. Peter Eisenberg, und da er sich nicht entschließen konnte, zur evangelischen
Kirche überzutreten, so gab er seine Stelle auf. Selbstverständlich wurde ihm
bis an sein Lebensende ein ausreichendes Ruhegehalt gewährt. Nun galt es, den
erledigten Platz eines Pfarrers der Kreuzkirche wieder zu besetzen und zwar durch
einen Mann, der zugleich eine gediegene wissenschaftliche Bildung, eine feurige
Begeisterung für die evangelische Sache und endlich die Befähigung besaß, die
beabsichtigte Umgestaltung des Dresdner Kirchenwesens durchzuführen. Die Wahl
des Rats, welcher 1539 das Patronat über die Kreuzkirche erhalten hatte, fiel
auf den von Melanchthon sehr warm empfohlenen Frankfurter Geistlichen Johannes
Cellarius, der am 27. Juni desselben Jahres sein Amt als Pfarrer der Kreuz-
kirche antrat. Demselben wurden am 15. Juni des folgenden Jahres auch die
Obliegenheiten eines Superintendenten übertragen.
      Kaum weilte Cellarius eine Woche in Dresden, als hier am 6. Juli 1539
durch Abhaltung eines vollständigen evangelischen Gottesdienstes mit der Feier
des heiligen Abendmahls unter beiderlei Gestalt die Reformation thatsächlich
zur Einführung gelangte. In der Kreuzkirche waren dabei Kurfürst Johann
Friedrich und Herzog Heinrich mit ihren Gemahlinnen und stattlichem Gefolge
zugegen. Erfahren wir über dieses höchst wichtige Ereignis sonst keine weiteren
bemerkenswerten Einelheiten, so erfüllt es doch mit Befriedigung, zu hören, daß
über die Einführung der Reformation in Dresden "unter der großen Menge
der Einwohner, welche sich in dieser unverhofften glückseligen Veränderung kaum
begreifen konnten, eine unbeschreibliche Freude herrschte."

aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seiten 40 und 41



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