Die Sachsen vertreiben die Kaiserlichen aus Leipzig

Leipzig, am 10. November 1631

aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 300

      Aus Furcht vor den Schweden verließen die Kaiserlichen die Stadt bald
wieder; doch blieben auf dem Schlosse 700 Mann zurück, so daß Leipzig noch immer
in den Händendes Feindes war. Am 10. November, einem nebligen Tage, er-
schienen am Grimmaischen Thore zehn Reiter, welche sich für kaiserliche Soldaten
ausgaben und um Einlaß baten. Kaum hatte man ihnen das Thor geöffnet, so
fielen sie über die kaiserlichen Wachposten her; andere Soldaten drangen von
außen augenblicklich nach, und es entspann sich in den Straßen ein Gefecht, das
mit der Einnahme der Stadt endete. Hatten die Sachsen, denn solche waren es,
gehofft, nun ebenso schnell mit der Pleißenburg fertig zu werden, so sahen sie sich
arg getäuscht. Der kaiserliche Kommandant auf dem Schlosse ließ ihnen sagen,
„er wäre zur Zeit nicht willens, die Festung aufzugeben; sie sollten warten bis
etwa Fastnachten und hernach wieder anfragen.“ Es entspann sich hierauf eine
regelrechte Belagerung, bei welcher die Sachsen, die später noch durch einziehende
Schweden verstärkt wurden, mit ihren Geschützen ihre eigene Festung und die
Kaiserlichen auf dem Schlosse die Stadt auf das heftigste beschossen. Obgleich
die Belagerung mit der Übergabe der Festung an die Sachsen endete, so muß
man doch die Verteidigung, wie sie durch die kaiserliche Besatzung geleistet wurde,
zu den größten Ruhmesthaten des 30jährigen Krieges rechnen. Als in der
Burg der Vorrat an Mehl zu Ende ging, fiel eines Nachts die tapfere Schar
aus, plünderte die Thomasmühle und nahm den Müller mit sich, der ihnen das
erbeutete Getreide auf der Schloßmühle mahlen mußte. Nachdem die sächsischen
Kugeln die Schloßmühle zerstört hatten, ließen die Belagerten die Getreidekörner
bloß noch aufbrühen und aßen sie in diesem Zustande. Um das notwendige Holz
zu erlangen – die Dielen und das Holzgetäfel der Wände waren bereits ver-
brannt – wagten sie einen zweiten Ausfall, drangen bis zum Floßplatz vor und
schafften von dort mit vieler Mühe Flößholz in die Festung. Erst als keine
Hoffnung mehr vorhanden war, das Schloß zu halten, als es durch die Kartaunen
der Sachsen arg beschädigt, die Haube des Turmes durchschossen und die Geschütze
auf demselben unbrauchbar geworden waren, ergab sich nach dreiwöchentlicher
Gegenwehr die heldenmütige Schar und erhielt freien Abzug nach Böhmen.

aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seite 300



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