Schreckenstage von Schmiedefeld

Schmiedefeld (bei Großharthau), im Mai 1813

aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 272
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 273 oben
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 273 unten
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 274 oben
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 274 unten
aus: ´Bunte Bilder aus dem Sachsenlande´, Band 2 (1894), Seite 275

      Am 11. Mai überschritt Napoleon mit seinem Heere die Elbe, und am
nächsten Tage entbrannte der Kampf schon bei Arnsdorf und Fischbach, zwischen
Stolpen und Radeberg. Die Russen wichen auf der Heerstraße nach Bischofswerda
zu zurück und setzten sich auf dem Kapellenberge bei Schmiedefeld fest. Die
Franzosen aber rückten nach und besetzten das Dorf. Die Russen hatten den Lauf
ihrer sämtlichen Kanonen nach dem Dorfe gerichtet. Schon beim dritten Schusse,
der gegen den Feind gethan wurde, brannte die Kiche, und nebst dieser gingen
auch die Pfarrwohnung, die Schule, das Erbgericht, der Posthof und noch viele
andere Gebäude in Flammen auf. Fast das halbe Dorf wurde in Asche gelegt.
Friedrich Traugott Jakob, der von 1813 bis um 17. Februar 1860 Pfarrer in
Schmiedefeld war, hat die Schreckenstage von Schmiedefeld wie folgt beschrieben:
      "Die Einwohner hatten größtenteils bereits vor dem Brande die Flucht
ergriffen. Die beiden Geistlichen des Ortes, der Pastor M. Müller sen. und
ich, damals Substitut desselben, sahen, aus Mangel an den notwendigen
Lebensbedürfnissen und unvermögend, den sich stündlich mehr häufenden und
steigernden Anforderungen der Soldaten noch zu genügen, sich genötigt, dem
Beispiele ihrer Kirchkinder zu folgen. Die gleichzeitig erfolgende Flucht der
hiesigen Post zu unserem Fortkommen benutzend, verließen wir am 10. Mai
heimlich die Heimat und eilten, Wohnung und Habe den Kriegern preisgebend,
fort, um irgendwo eine Zufluchtsstätte zu suchen. Wir nahmen, bei Nacht reisend,
unseren Weg in das benachbarte Böhmen, wohin die hiesige Post sich begab,
nachdem sich in Sachsen ein sicheres Unterkommen für dieselbe nicht gefunden
hatte. Hier im Grenzdorfe Lobendau angekommen, trennten wir uns, indem der
Pfarrer sen. sich von hier fort zu seinen Anverwandten nach dem nur eine Stunde
entfernten Sebnit in Sachsen begab, ich aber, von dem einen der katholischen
Geistlichen des Ortes, dem seitdem verstorbenen Pfarrer Schulze, einem Ehren-
manne, der auf die Nachricht von einem Mißgeschick aus freier Bewegung mir
sogleich Wohnung und Tisch bei sich angeboten hatte, auf das gastfreundschaft-
lichste aufgenommen, daselbst verblieb.
      Am 10. Mai hatten wir uns getrennt; am 12. vormittags schon erfolgte
der Brand von Schmiedefeld. An demselben Tage nachmittags ging auch
Bischofswerda in Flammen auf. Schrecklich war von des wilden Brandes Glut
der nordöstliche Himmel gerötet!
      Von Lobendan, wo ich beim dasigen Pfarrer, meinem mir unvergeßlichen
Wohlthäter, 14 Tage lang mich aufgehalten hatte, nach Sachsen zurückkehrend,
mußte ich, meines Obdaches in Schmiedefeld verlustig geworden, ein Unter-
kommen in Harthau suchen. Ich fand es auf dem dasigen Rittergute, und hier,
wo ich bis nach erfolgtem gänzlichen Rückzuge der Franzosen noch zu mehreren
Malen ausgeplündert wurde und einmal daselbst nahe daran war, erstochen zu
werden, auch im Monat September im dasigen Schlosse noch ein Bombardement
auszustehen hatte, blieb ich, bis an Michaeli 1816 der Wiederaufbau des Pfarr-
wohnhauses in Schmiedefeld erfolgt war, worauf ich hierher zurückkehrte.
      Von den im Monat Mai flüchtig gewordenen Einwohnern des Ortes
war ein Teil kaum in die Heimat zurückgekehrt, als diese, im Sommer 1813,
während des damals zwischen den Franzosen und den Verbündeten eingetretenen
Waffenstillstandes, sich von neuem genötigt sahen, die Flucht zu ergreifen. Nicht
allein daß damals, wo sich in der Nähe von Schmiedefeld ein bedeutendes
französisches Lager befand, die Einwohner von seiten der in dem Lager befind-
lichen Mannschaften fortwährend beunruhigt wurden; es wurden auch von den
letzteren fast sämtliche beim Brande vom Feuer verschont gebliebenen, damals
noch stehenden Häuser teils gänzlich niedergerissen, teils durch Abdeckung der
Strohdachungen wegen mangels an Streu, durch Hinwegschaffung der Thüren,
Dielen, Fenster u. a. m. ins Lager in völlig unbewohnbaren Zustand versetzt.
Von dieser Zeit an stand das Dorf so gänzlich verlassen, daß es den Anblick
einer schaurigen Einöde darbot. Nach dem Brandunglücke vom 12. Mai, bei
welchem 38 Gebäude zerstört worden waren, wurden von den noch übrigen
105 Wohnstätten in der Zeit vom Monat Juni bis Michaeli nicht weniger als
14 Wohnhäuser und 35 Nebengebäude gänzlich niedergerissen, 14 Wohnhäuser
und 6 Nebengebäude durch teilweise Zerstörung wenigstens unbewohnbar gemacht.
Nur der Besitzer des hiesigen Gasthofes – dessen Gebäude in Blockhäuser waren
verwandelt worden – und zwei Müller konnten während des Winters von 1814
zur Not in ihren Häusern wohnen, die übrigen Bewohner wohnten in 19 Dörfern
und 4 Städten der Umgebung zerstreut. Die von neuem flüchtig gewordenen
Einwohner wohnten in der hiesigen Gegend nach allen Richtungen hin zerstreut
umher, und ein großer Teil derselben mußte, mit dem drückensten Mangel kämpfend,
sein Brot an fremden Thüren suchen. Vom 7. März bis 21. August 1813 waren
allein in Schmiedefeld einquartiert: 4 Divisionsgenerale, 10 Brigadegenerale,
32 Oberste, 28 Oberstlieutenants, 49 Majors, 387 Ober- und 468 Unteroffiziere
der ersten Klasse, 33.884 Ober- und Unteroffiziere der zweiten Klasse und Gemeine;
Summa 34.862 Mann. Die Mannschaft kostete der Gemeinde 12.652 Thaler
und 16 Groschen, die Rationen für die 5.387 Kavalleriepferde 2.294 Thaler und
4 Groschen. Viele der Unglücklichen sollten die Heimat, die sie hatten verlassen
müssen, nie wiedersehen! – Sie wurden in der Fremde von Krankheit, die
meisten derselben vom Nervenfieber, hinweggerafft, welches bereits im Monat
März von den aus Rußland zurückkehrenden Lazarettkranken des Reynierschen
Korps mit hierher gebracht worden war. Zu Anfang des Jahres 1813 hatte
sich die Anzahl der sämtlichen Einwohner auf 422 belaufen. Davon erkrankten
am Nervenfieber 395, und von diesen starben nicht weniger als 103 Personen,
also etwa ein Viertel der Einwohnerschaft. Nachdem später Ruhe und Sicherheit
zurückgekehrt waren und von den flüchtig gewordenen Einwohnern die noch übrig-
gebliebenen sich nach und nach in der Heimat wieder eingefunden und ihre Häuser
teils wieder aufgebaut, teils zur Not wieder bewohnbar gemacht hatten, waren
dieselben nun, in Ermangelung einer eigenen Kirche, genötigt, die Filialkirche in
Harthau mit zu besuchen; nur Taufen und Begräbnisse fanden, auch nach dieser
Zeit noch in Schmiedefeld statt." –
      Soweit der Bericht des Pfarrers von Schmiedefeld.
      Mit dem Wiederaufbau der niedergebrannten Kirche begann man im
Jahre 1817, und im Oktober konnte das neue Haus des Herrn bereits ein-
geweiht werden. Die tieferschütternde Weihepredigt hielt der damalige Super-
intendent zu Bischofswerda, M. Carl Friedrich Kunze. Die Baukosten der neuen
Kirche beliefen sich auf 3.600 Thaler. Zur Erinnerung an den 12. Mai 1813,
an welchem Tage so namenloses Elend über Schmiedefeld gekommen war, wurden
an der südlichen Außenmauer des Gotteshauses drei Kanonenkugeln angebracht,
die man beim Wegräumen der Brandtrümmer gefunden hatte. Unter denselben
findet sich folgende Inschrift:
"Gedenke der vorigen Zeiten.
12. Mai 1813.
Schreckenstage von Schmiedefeld."
Bernh. Störzner.

aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seiten 272 – 275



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