Petition der Leipziger Buchdruckergesellen
Quelle:
Elisabeth Todt und Hans Radandt:
Zur Frühgeschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung 1800 - 1849,
Die Freie Gewerkschaft, Verlagsgesellschaft mbH, Berlin 1950
Die Zeitschrift "Typographia" veröffentlicht in ihren ersten beiden Ausgaben
am 1. und 8. August 1846 den kompletten Wortlaut einer Petition
der Leipziger Buchdruckergesellen an die hohe Ständeversammlung des Königreichs Sachsen.
... das von der Willkür abhängige Verhältnis der übrigen (Prinzipale muss)
um so gerechtere Bedenken erregen, als durch wirkliche Vorkommnisse,
welche namhaft zu machen hier nicht der Ort sein dürfte,
die größten Bedrückungen und Ungerechtigkeiten gegen viele von uns ausgeübt worden sind.
Es haben nämlich einige Prinzipale im Bewusstsein, dass die Existenz der von ihnen
beschäftigten Gehilfen lediglich von ihnen abhängt, dieselben moralisch und physisch
gezwungen, sich Einrichtungen und Anordnungen zu fügen, welche die Buchdruckergehilfen
in die traurigste Lage versetzen und Veranlassung und nächste Ursache zu den
verschiedenartigsten Übelständen geworden sind.
Zu diesen Einrichtungen gehört vorzüglich die, dass dem Arbeiter das während der Woche
verdiente Arbeitslohn teilweise vorenthalten, und ihm völlig nach Willkür erst
nach mehreren Wochen, Monaten, ja sogar erst nach vierteljähriger oder noch längerer
Arbeit, das sauer Verdiente zuteil wird. Während dieser langen Frist empfangen
die Arbeiter unter dem Namen Kostgeld wöchentlich eine Reichsmark 10 Nickelgroschen,
eine Reichsmark 15 Nickelgroschen, höchstens zwei Reichsmark. Dadurch wird der Arbeiter,
außer dass ihm ein Teil seines Lohnes entzogen bleibt, auch insofern noch
in wesentlichen Nachteil gestellt, als er, wenn er nach dem Vierteljahresschluss
in eine Offizin eintritt, das ganze nächste Vierteljahr nicht weiß, welcher Lohn
ihm für seine Arbeit zuteil werden wird. ...
... Es leuchtet ein, wie verderblich in den einzelnen Fällen diese Auszahlung
auf die Verhältnisse der Arbeiter einwirken müsse; ein Familienvater kann
von diesen geringen Ratenzahlungen sich und seine Familie nicht ernähren;
er ist gezwungen, sich mit verhältnismäßig schweren Opfern Kredit zu verschaffen,
und muss trotzdem das Allernotwendigste oft monatelang entbehren.
Kommen außerordentliche Fälle, als Krankheit, Sterbefälle usw. hinzu, wobei er
mehr als gewöhnlich verausgaben muss, so ist er genötigt, entweder Schulden
zu machen, oder gegen übermäßige Zinsen sich Bargeld zu verschaffen,
oder seine ganze kleine Habe zu verkaufen oder den Leihhäusern zu übergeben.
Wer aber mit Kredit die täglichen Lebensmittel entnimmt, muss dieselben oft
um ein Drittel teurer bezahlen, als wenn er sie gegen Barzahlung erwirkt,
und entsetzlich ist es, sich Bargeld mit großem Verlust verschaffen zu müssen,
während vielleicht eine größere Summe vom Prinzipale zurückgehalten wird;
ja, der Arbeiter darf sich mitunter nicht getrauen, eine Bitte um Zahlung
anzubringen, aus Furcht entlassen zu werden.
... Die ehrfurchtsvoll Unterzeichneten richten daher an die hohe Ständeversammlung
die dringende Bitte:
Die selbe wolle bei der hohen Staatsregierung sich dahin verwenden, dass im Wege
der Gesetzgebung Anordnung getroffen werde:
1. dass die gesetzlich bestimmte wöchentliche Auszahlung des Arbeitslohnes
auch in den Buchdruckereien regelmäßig stattfinde;
2. schließen sich die ehrfurchtsvoll Unterzeichneten den zahlreichen Bitten
um Herstellung von Fabrikgerichten an, und beantragen, dass auch bei den
Buchdruckereien ein Schiedsgericht, bei welchen die Gehilfen billig vertreten sind,
zur Schlichtung vorkommender Geschäftsstreitigkeiten eingeführt werde;
3. dass eine vollständige Vertretung der Gehilfen bei dem jährlich zweimal
abzuhaltenden Generalsitz der Innung durch je einen aus jeder Buchdruckerei
zu erwählenden Abgeordneten der Gehilfen stattfinde.
In tiefer Ehrfurcht zeichnen ...