Gesetz gegen die Kinderarbeit

vom 16. Mai 1853


das ´Gesetz gegen die Kinderarbeit´ vom 16. März 1853 - Teil 1 das ´Gesetz gegen die Kinderarbeit´ vom 16. März 1853 - Teil 2 das ´Gesetz gegen die Kinderarbeit´ vom 16. März 1853 - Teil 3
(Nr. 3750) Gesetz, betreffend einige Abänderungen des Regulativs vom 9. März 1839.
über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken. Vom 16.
Mai 1853.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen

verordnen, unter Zustimmung der Kammern, was folgt:


§. 1.

Die im §. 1. des Regulativs vom 9. März 1839. (Gesetz-Sammlung 1839.
Seite 156.) erwähnte Beschäftigung jugendlicher Arbeiter ist vom 1. Juli 1853.
an nur nach zurückgelegtem zehnten, vom 1. Juli 1854. an nur nach zurück-
gelegtem elften, und am 1. Juli 1855. an nur nach zurückgelegtem zwölften
Lebensjahre gestattet.


§. 2.

Vom 1. October 1853. ab dürfen junge Leute unter sechszehn Jahren
bei den im §. 1. des Regulativs gedachten Anstalten nicht weiter beschäftigt
werden, wenn ihr Vater oder Vormund dem Arbeitgeber nicht das im §. 3.
erwähnte Arbeitsbuch einhändigt.


§. 3.

Das Arbeitsbuch, welchem eine Zusammenstellung der, die Beschäftigung
jugendlicher Arbeiter betreffenden Bestimmungen vorzudrucken ist, wird auf den
Antrag des Vaters oder Vormundes des jugendlichen Arbeiters von der Orts-
polizeibehörde ertheilt und enthält:
1) Namen, Tag und Jahr der Geburt, Religion des Arbeiters,
2) Namen, Stand und Wohnort des Vaters oder Vormundes,
3) das im §. 2. des Regulativs erwähnte Schulzeugniß,
4) eine Rubrik für die bestehenden Schulverhältnisse,
5) eine Rubrik für die Bezeichnung des Eintrittes in die Anstalt,
6) eine Rubrik für den Austritt aus derselben,
7) eine Rubrik für die Revisionen.
Der Arbeitgeber hat dieses Arbeitsbuch zu verwahren, der Behörde auf
Verlangen jederzeit vorzulegen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem
Vater oder Vormunde des Arbeiters wieder auszuhändigen.


§. 4.

Jugendliche Arbeiter dürfen bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre
täglich nur sechs Stunden bei den im §. 1. des Regulativs gedachten Anstalten
beschäftigt werden; für dieselben genügt ein, in diese Arbeitszeit nicht einzurech-
nender dreistündiger Schulunterricht.
Sollte durch die Ausführung dieser Bestimmung bereits bestehenden An-
stalten die nöthige Arbeitskraft entzogen werden, so ist der Minister für Handel,
Gewerbe und öffentliche Arbeiten ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Mi-
nister der Unterrichtsangelegenheiten auf bestimmte Zeit Ausnahmevorschriften
zu erlassen.


§. 5.

Die nach §. 4. des Regulativs den jugendlichen Arbeitern zu gewährende
Muße von einer Viertelstunde Vor- und Nachmittags wird auf je eine halbe
Stunde festgestellt.


§. 6.

Die im §. 5. des Regulativs auf 5 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends
festgestellten Grenzen der Tagesarbeit werden auf 5 1/2 Uhr Morgens und 8 1/2 Uhr
Abends bestimmt.


§. 7.

Jede unter vorstehende Bestimmungen fallende Beschäftigung jugendlicher
Arbeiter muß von dem Arbeitgeber zuvor der Ortspolizeibehörde angemeldet
werden. In Betreff der, beim Erlaß dieses Gesetzes bereits beschäftigten Ar-
beiter ist diese Anmeldung binnen vier Wochen zu bewirken.


§. 8.

Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, halbjährlich der Ortspolizei-
behörde die Zahl der beschäftigten Arbeiter unter sechszehn Jahren anzuzeigen.


§. 9.

Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§. 1., 2., 4., 5. und 6.
dieses Gesetzes werden nach dem ersten, Zuwiderhandlungen gegen die Vor-
schriften der §§. 3., 7. und 8. dieses Gesetzes nach dem zweiten Absatz des
$. 8. des Regulativs vom 9. März 1839. bestraft.
Außerdem kann der Richter Demjenigen, der binnen fünf Jahren für
drei Uebertretungsfälle zu drei verschiedenen Malen, sei es nach den Bestim-
mungen dieses Gesetzes oder nach denen des Regulativs vom 9. März 1839.
bestraft worden ist, bei einer ferneren Uebertretung der Vorschriften dieses Ge-
setzes oder des gedachten Regulativs die Beschäftigung junger Leute unter sechs-
zehn Jahren auf eine bestimmte Zeit oder für immer untersagen. Sind in
fünf Jahren sechs Uebertretungsfälle bestraft worden, so muß auf diese Unter-
sagung, und zwar mindestens für die Zeit von drei Monaten, erkannt werden.
Zuwiderhandlungen gegen ein derartiges gerichtliches Verbot werden mit Einem
bis fünf Thaler für jedes Kind und für jeden Kontraventionsfall bestraft.


§. 10.

Soweit das Regulativ vom 9. März 1839. in Vorstehendem nicht ab-
geändert worden, bleibt dasselbe in Kraft.


§. 11.

Die Ausführungen dieser Bestimmungen soll, wo sich dazu ein Bedürfniß
ergiebt, durch Fabrikeninspektoren als Organe der Staatsbehörden beaufsichtigt
werden.
Diesen Inspektoren kommen, soweit es sich um Ausführung der Vor-
schriften dieses Gesetzes und des Regulativs vom 9. März 1839. handelt, alle
amtliche Befugnisse der Ortspolizeibehörden zu.
In welcher Weise sie eine stehende örtliche Aufsicht zu bilden, dieselbe zu
unterstützen und zu leiten und mit der vorgesetzten Behörde einen fortgehenden
Verkehr zu erhalten haben, werden die Minister für Handel, Gewerbe und
öffentliche Arbeiten, der Unterrichtsangelegenheiten und des Innern bestimmen.
Die Besitzer gewerblicher Anstalten sind verpflichtet, die auf Grund die-
ses Gesetzes auszuführenden amtlichen Revisionen derselben zu jeder Zeit, na-
mentlich auch in der Nacht, zu gestatten.


§. 12.

Die im §. 11. erwähnten Departementschefs sind mit der Ausführung des
Gesetzes beauftragt.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedruck-
tem Königlichen Insiegel.

Gegeben Charlottenburg, den 16. Mai 1853.

(L. S.) Friedrich Wilhelm.

v. Manteuffel.     v. d. Heydt.     Simons.     v. Raumer.     v. Westphalen.
v. Bodelschwingh.     v. Bonin.
Quelle: http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10509560_00257.html



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