Kaiser Wilhelm II. hält seine berüchtigte Hunnenrede

Bremerhaven, am 27. Juli 1900

Stillgestanden! Zum ersten Mal, seitdem das Deutsche Reich wiedererstanden ist, treten an dasselbe große überseeische Aufgaben heran. Dieselben sind früher und in größerer Ausdehnung an uns herangetreten, als die meisten meiner Landsleute erwartet haben. Sie sind die Folge dessen, daß das Deutsche Reich wiedererstanden ist und damit die Verpflichtung hat, für seine im Auslande lebenden Brüder einzustehn im Moment der Gefahr.
Mithin sind nun die alten Aufgaben, die das alte Römische Reich deutscher Nation nicht lösen konnte, von neuem herangetreten, und das neue Deutsche Reich ist in der Lage, sie zu lösen, weil es ein Gefüge bekommen hat, das ihm die Möglichkeit giebt durch unser Heer.
In dreißigjähriger harter, angestrengter Friedensarbeit sind viele Hunderttausende von Deutschen zum Kriegsdienste herangebildet worden, ausgebildet nach den Grundsätzen Meines verewigten Großvaters, bewährt in drei ruhmvollen Kriegen.
So sollt Ihr nunmehr auch vor dem Feinde die Probe daraufhin ablegen, ob die Richtung, in der wir uns in militärischer Richtung bewegt haben, die richtige gewesen.
Eure Kameraden von der Marine haben uns schon gezeigt, daß die Ausbildung und die Grundsätze, nach denen wir unsere militärischen Streikräfte ausbilden, die richtigen sind, und an Euch wird es sein, es ihnen nachzuthun.
Nicht im geringsten erfüllt uns auch mit Stolz, daß gerade aus dem Munde ausländischer Führer das höchste Lob unseren Streitern zuerkannt worden ist.
Die Aufgabe, zu der Ich Euch hinaussende, ist eine große. Ihr sollt schweres Unrecht sühnen!
Denn ein Fall in der Art, wie es die Chinesen gethan haben, die es gewagt, tausendjährige alte Völkerrechte umzuwerfen und der Heiligkeit des Gastrechts in so abscheulicher Weise Hohn zu sprechen, ist ein Vorfall, wie er in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen ist, und dies hat sich noch dazu ein Volk geleistet, welches stolz ist auf seine vieltausendjährige Cultur!
Aber Ihr könnt daraus ersehen, wohin eine Cultur kommt, die nicht auf dem Boden des Christentums aufgebaut ist; jede heidnische Cultur, mag sie noch so schön und herrlich sein, wird bei der ersten Kraftprobe erliegen!
So sende ich Euch aus, daß ihr bewähren möget einmal unsere alte preußische Tüchtigkeit, zum zweiten die Hingebung, Tapferkeit und freudiges Ertragen jeglichen Ungemachs, wie Ihr es gelernt habt als Christen, und zum dritten die Ehre und den Ruhm unserer Waffen und unserer Fahnen! Ihr sollt Beispiele abgeben von Manneszucht und Disciplin, Selbstüberwindung und Selbstbeherrschung.
Ihr sollt fechten mit einem Euch ebenbürtigen, tapferen, verschlagenen Feind, gut bewaffnet und gut ausgerüstet.
Aber Ihr sollt auch rächen den Tod unseres Gesandten und so vieler, nicht nur Landsleute, auch anderer Europäer!
Kommt Ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!
Ihr werdet mit einer Uebermacht zu fechten haben; doch dies sind wir gewohnt, unsere riegsgeschichte beweist es! Ihr habt es gelernt aus der Geschichte des Großen Kurfürsten und aus Eurer Regimentsgeschichte.
Heftet neuen Ruhm an Eure Fahnen; der Segen des Herrn sei mit Euch! Die Gebete der Euren, eines ganzen Volkes begleiten Euch auf allen Euren Wegen!
Meine besten Wünsche für Euch, für das Glück Eurer Waffen!
Eure Leistungen werden Euch folgen, wohin es auch sei! Und Gottes Segen möge an Eure Fahnen sich heften und dieser Krieg den Segen bringen, daß das Christentum in jenem Lande seinen Einzug hält, damit solch' traurige Fälle nicht mehr vorkommen! Dafür steht Ihr Mir mit Eurem Fahneneid!
Und nun glückliche Reise!
Adieu, Kameraden!

Quelle: "Nordwestdeutsche Zeitung", Bremerhaven, vom 28. Juli 1900



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