Die Polizei erschießt zehn Menschen

Halle, am 13. März 1925




Während einer Wahlveranstaltung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 13. März 1925 in Halle wurden zehn Menschen getötet, nachdem die Polizei das Feuer auf die Besucher eröffnete.

Einer der zehn Toten war der 27-jährige Arbeiter Friedrich (kurz: Fritz) August Weineck, der als Hornist im Spielmannszug des Rotfrontkämpferbundes mitwirkte. Er starb durch einen Schuss in den Rücken.

Ihm zu Ehren wurde der Text eines aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Soldatenliedes leicht umgedichtet und fortan bei politischen Veranstaltungen gespielt.

Von all unsern Kameraden
war keiner so lieb und so gut,
wie unser kleiner Trompeter,
ein lustiges Rotgardistenblut.

Wir saßen so fröhlich beisammen
in einer so stürmischen Nacht,
mit seinen Freiheitsliedern
hat er uns so fröhlich gemacht.

Da kam eine feindliche Kugel
bei ein’m so fröhlichem Spiel,
mit einem so seligen Lächeln
unser kleiner Trompeter, er fiel.

Da nahmen wir Hacke und Spaten
und gruben ihm morgens ein Grab.
Und die ihn am liebsten hatten,
die senkten ihn stille hinab.

Schlaf wohl, du kleiner Trompeter,
wir waren dir alle so gut.
Schlaf wohl du kleiner Trompeter,
du lustiges Rotgardistenblut.


Artikel in der ´Dresdner Volks-Zeitung´ vom 14. März 1925, Seite 2, Teil 1 Artikel in der ´Dresdner Volks-Zeitung´ vom 14. März 1925, Seite 2, Teil 2

Schießerei in kommunistischer
Versammlung

Sechs Tote, 36 Verwundete

SPD. Halle, 14. März. (Eig. Funkspruch.) Am Freitag
abend kam es in Halle zu einer folgenschweren Schießerei.
Sie ereignete sich in einer von den Kommunisten einbe-
rufenen Versammlung im Volkspark, die zur Reichs-
präsidentenwahl Stellung nehmen sollte. Der kom-
munistische Präsidentschaftskandidat Thälmann war
unter anderm ebenfalls als Redner vorgesehen. Im oberen
Saale des Volksparkes hatte die kommunistische Landtags-
abgeordnete Krüger bereits gesprochen. Es nahmen dann
ein Engländer und ein Franzose das Wort, ohne
von der Polizei am Reden gehindert zu werden, obwohl ihr
Auftreten polizeilich ausdrücklich verboten worden war. Erst
als einer der Kommunisten mit dem Uebersetzen der von
den beiden Ausländern gehaltenen Reden begann, stieg der
Führer der beiden im Volkspark erschienenen Hundert-
schaften Schutzpolizei, ein Oberleutnant, auf einen Tisch
und verbot die Wiedergabe der Rede. Die Versammelten
erhoben sich hierauf unter lautem Protest gegen das Ver-
halten des Polizeileutnants, obwohl man ihm zunächst über-
haupt nicht verstanden hatte. Der Oberleutnant sprang noch
einmal auf den Tisch und forderte die Räumung des
Saales. Nach Angaben der Polizei wurden die Beamten
dann mit Bierseideln, Tischen und Stühlen
bombardiert, noch ehe sie zur Erzwingung der Räu-
mung auch nur von dem Gummiknüppel haben Gebrauch
machen können. Erst als von der galerie wiederholt Schüsse
auf die Polizei gefallen seien, wofür die Stellen an der Wand
den Beweis liefern, habe die Polizei mit der Schusswaffe
vorgehen müssen. Jedenfalls schoss die Polizei nun
in die Versammlung. Man zählt bisher 6 Tote,
25 Schwer- und 11 Leichtverwundete, die sich
auf die chirurgische Klinik, das Elisabeth-Krankenhaus und
das Diakonissenhaus verteilen. Auch bei der Polizei sind
Leichtverletzte. Bei der Räumung der von Tausenden be-
suchten Versammlung, die angesichts der Schießerei fluchtartig
vor sich ging, gab es Verletzungen durch Armbrüche, Ver-
renkungen und dergleichen. Durch die sich stauende Menge
wurde das Treppengeländer abgerissen, viele stürzten in die
Tiefe. Hierbei wurde auch die Gattin des kommunistischen
Landtagsabgeordneten Kilian schwer verletzt. Die Aerzte
in den beteiligten Krankenhäusern waren nachts durch Opera-
tionen in Anspruch genommen. Der ganze Vorgang ereig-
nete sich gegen 10 Uhr abends. Unter den Toten befindet sich
auch eine Frau. Die Polizei gibt die Zahl der Getöteten mit
nur fünf an und nennt als Leichtverletzte der Polizei vier
Beamte.




aus: "Dresdner Volks-Zeitung" vom 14. März 1925, Seite 2

Artikel in der ´Dresdner Volks-Zeitung´ vom 14. März 1925, Seite 3
aus: "Dresdner Volks-Zeitung" vom 14. März 1925, Seite 3

Letzte Nachrichten

Die Schuldfrage am Halleschen Blutbad

SPD. Halle, 14. März. (Eig. Drahtber.) Das Ergebnis
der amtlichen Ermittlungen steht zur Zeit noch aus. Die Ermitt-
lungen gehen überaus schleppend vor sich. Es berührt befremdend,
daß keiner der anwesenden Zeitungsberichterstatter zugelassen wurde,
obwohl dieselben auf die nunmehr dringend notwendige Infor-
mation der Oeffentlichkeit hinwiesen. In der Hauptsache dreht es
sich in der Schuldfrage darum, ob die Hauptlast dem verantwort-
lichen Sekretär der Kommunistischen Partei, namens
Hertel, zuzuschreiben ist, der - trotz Verbot - den ausländischen
Vertretern das Sprechen erlaubte oder dem diensttuenden Offizier,
Oberleutnant Pitzger, der die Versammlung auflöste, als die
Uebersetzung der Rede eines Ausländers, der bereits gesprochen
hatte, erfolgte. Nach dem einstimmigen Urteil der Vertreter der
Rechtspresse scheint man nicht ohne Uebereilung vorgegangen zu
sein, als man das Polizeikommando im Saale einsetzte. Den
ersten Schuß gab Oberleutnant Pitzger ab, als von der
Tribüne gegen ihn ein Bierglas geschleudert wurde. Das gab
das Signal zum energischen Vorgehen der Polizeitruppe, die in
geschlossener Linie von der Stirnseite des Saales die Massen gegen
den Ausgang drängte. Der Raum reichte dort nicht aus, so daß
unter dem furchtbaren Druck das Treppengeländer wie ein einfacher
Blechstreifen umgebogen und zerbrochen wurde. Tische und Stühle
wurden zur Seite gedrängt, die Schüsse der Polizei erhöhten die
Panik, so daß neben den Toten und durch Schüsse Verletzten eine
Anzahl Knochenbrüche zu verzeichnen sind. Der Volksparksaal
bietet den Anblick einer wüsten Trümmerstätte. Tische und Stühle
liegen zerbrochen umher, Blutlachen bedecken den Boden.




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