Das Leipziger Landgericht verurteilt Gerd Postel zu vier Jahren Gefängnis

Leipzig, am 22. Januar 1999

Der arbeitslose Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt (1849 – 1922) – besser bekannt als Hauptmann von Köpenick – saß viele Jahre wegen Diebstahls und Urkundenfälschung im Gefängnis. Weltbekannt wurde er durch seinen spektakulären Überfall auf das Rathaus von Köpenick bei Berlin am 16. Oktober 1906.
Verkleidet als Hauptmann besetzte er mit einem Trupp Soldaten, die er „auf allerhöchsten Befehl“ seinem Kommando unterstellte, das Rathaus, verhaftete den Bürgermeister und „beschlagnahmte“ die Stadtkasse. Wegen unbefugten Tragens einer Uniform, Vergehens gegen die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung wurde Voigt zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) begnadigte ihn später, so dass er am 16. August 1908 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde.


Während Voigt seine Umwelt nur wenige Stunden an der Nase herumführte, schaffte es fast hundert Jahre später ein anderer Hochstapler, mehrere Jahre lang und gleich mehrmals verschiedene Einrichtungen vorzuführen.


Der 1958 in Bremen geborene Gert Postel besuchte lediglich die Hauptschule und schloss eine Ausbildung zum Postboten ab, absolvierte also nie ein Medizinstudium. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, sich mehrfach als Arzt auszugeben. Von September 1982 bis zu seiner Enttarnung im April 1983 war Postel stellvertretender Amtsarzt in Flensburg; 1984 erhielt er wegen Urkundenfälschung und missbräuchlichen Führens akademischer Titel eine Bewährungsstrafe. Danach ließ er sich wiederholt als Arzt anstellen, u. a. in der Privatklinik von Julius Hackethal und als Stabsarzt bei der Bundeswehr. Auch dafür erntete er lediglich Geld- und Bewährungsstrafen.
Von November 1995 bis Juli 1997 war Postel Oberarzt in der Psychiatrischen Abteilung in Zschadraß bei Leipzig.




Postel in "Doktorspiele – Geständnisse eines Hochstapler", Seite 40

... Der Sachbearbeiter erklärte mit einer mich vollkommen beruhigenden Bestimmtheit, dass das Ministerium außer einer Anfrage bei der Gauck-Behörde keine weiteren Auskünfte einhole. ... Von meinem Standpunkt aus war gegen den Grundsatz der Sächsischen Regierung, lieber einen unqualifizierten Betrüger als einen qualifizierten Stasimann einzustellen, nichts einzuwenden. Das Primat der Ideologie feierte hier mit umgekehrten Vorzeichen fröhliche Urständ, sodass ich am 15. November 1995 meine Stelle antreten konnte ...


Postel erstellte psychiatrische Gutachten und hielt Vorträge vor Medizinern. Wäre er nicht am 10. Juli 1997 zufällig von einer Mitarbeiterin erkannt worden, würde er heute vielleicht als Chefarzt und Klinikdirektor im Sächsischen Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Arnsdorf sein Unwesen treiben. Vorgespräche dazu – so berichtet Postel – liefen bereits mit dem Sächsischen Sozialministerium ...
Am 22. Januar 1999 wurde Postel vom Landgericht Leipzig wegen mehrfachen Betruges und Urkundenfälschung zu vier Jahren Haftstrafe verurteilt. Im Januar 2001 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.

Artikel in der ´Sächsischen Zeitung´ vom 10. Juli 2017
aus: "Sächsische Zeitung" vom 10. Juli 2017 (stark gekürzt)



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